Zugmaschine
Etwas mehr, bitte!
Aus dieser Erkenntnis heraus wurde beim ersten primär für Schleppbetrieb vorgesehenen Kadett 2400 gleich der nächst größere Motortyp Compact 640 Z (29,6 V) montiert, die 8s-Antriebsakku -Auslegung jedoch erst mal beibehalten. Wer bei der Auswahl gewichtsrelevanter Komponenten wie Servos und Empfängerversorgung ein wenig Augenmaß behält und unnötige Überdimensionierung vermeidet, schafft es mit 3.300-mAh-LiPos möglicherweise, noch unter der Gewichtsgrenze von 5.000 Gramm (g) durchzuschrammen. Die verwendeten SLS 4.400 mAh 35/60 C-LiPos ließen den Zeiger geringfügig über den oberen Grenzbereich wandern. Mit abmontierten Radverkleidungen (GFK) stimmte es dann wieder. Doch, wer wird schon so pingelig sein.
Anzumerken wäre allerdings noch, dass dieser von vorneherein für Schleppeinsatz avisierte Kadett nicht nur ein leichtes GFK-Fahrwerk, sondern auch einige sinnvoll erscheinende Verstärkungen erhielt, die den Bereich der Krafteinleitung durch die Schleppkupplung betrafen (siehe Zeichnung unten). So verbindet auf beiden Rumpfseiten je ein 5/3-mm-Kohlerohr die hintere Flächenhalterung diagonal nach vorne/unten mit dem Fahrwerksbrett, das seinerseits kaum der Verstärkung bedarf. Zusätzlich wurde jener Rumpfspant, der die vordere Flächenhalterung trägt, durch zwei 4 × 4-mm-Kieferneckleisten verstärkt. Diese sorgt so auch für eine höher belastbare Verbindung zwischen diesem Spant und der Sperrholz-Rumpfseitenwand. Auch die Schleppkupplung wurde abweichend von der Bauanleitung nicht direkt in die Fläche eingebaut, sondern im Bereich der hinteren Flächen-Befestigungsmuttern am Rumpf befestigt. Sie findet dann durch eine Endleistenbohrung ins Freie. Diese Lösung beinhaltet zumindest den Vorzug, dass die Verbindung zwischen Schleppkupplungsservo und Empfänger beim Abnehmen der Fläche nicht getrennt werden muss. Das anfängliche Misstrauen bezüglich der Krafteinleitung der Schleppkupplung in die filigran wirkende Kadett-Fläche sollte sich bei einer späteren Kadett-Version indessen als weitgehend unbegründet erweisen.
Der Compact 640 Z-Motor lässt sich dann bei Standströmen um 50 bis 60 A schon mit Propellern der Durchmesser 18 bis 19 Zoll ein, wobei deren Steigung wiederum nicht unter 8 Zoll liegen sollte. Mit dieser Upsize-8s-Version ließen sich dann auch schon Segler von gut 4.000 mm Spannweite und 5.000 g Gewicht recht vergnüglich auf Höhen um die 300 Meter bugsieren. Die Zugkraft des Antriebs gibt dem Schlepppiloten dann auch das beruhigende Gefühl, zu jedem Zeitpunkt Herr des Verfahrens zu sein. Lediglich der für die Akkugröße doch recht heftige Amperekonsum hintertrieb ein wenig die nun aufkommende Rund-um-Zufriedenheit, denn spätestens nach dem dritten Schleppflug meldete der Akkuwächter Nachladebedarf an.
Ein „Skiunfall“ beendete die nahezu idyllische Zweisamkeit mit dem 8s-Kadetten. Kurz entschlossen wollte der Autor der unerwartet langen Winterpause mit der Montage von Skiern begegnen. Das (später weiter fortgeführte) Unternehmen hatte erst mal mit einem Desaster begonnen: Die am Fahrwerksbügel drehbar aufgehängten Schneeschuhe sollten während des Flugs durch modellbauübliche Gummiringe in einem leichten Anstellwinkel (nach oben) gehalten werden. Dies misslang, da aus bislang nicht sicher nachvollziehbaren Gründen (vielleicht Kälteeinwirkung?) beide Gummis sofort nach dem Abheben rissen. Mit nach vorne herabhängenden Skispitzen ist nicht gut fliegen und noch schlechter landen. Und da der Schnee zu diesem Zeitpunkt auch noch ziemlich hart gefroren war, riss es beim Aufsetzen nicht das Fahrwerksbrett heraus, sondern hinterließ nebst kaputtem Propeller auch einen zerfetzten Motorspant – der im Original nicht allzu stabil war – sowie eine angerissene Motorhaube.
Nun erst recht
Die reparaturbedingte Gewichtszunahme gab den trotzigen Denkanstoß zu einer abermaligen antriebstechnischen Nachrüstung. Der Graupner-Motor Compact 640 Z (29,6 V) wurde durch einen weitgehend größen- und baugleichen robbe roxxy-Outrunner des Typs 6362-10 mit höherer Windungszahl, jedoch kleinerer spezifischer Drehzahl ersetzt. Jetzt konnten mit einer 10s-LiPo-Batterie mit 5.000 mAh bei maßvoller Stromaufnahme von um die 50 A Luftschrauben der Dimension 19 bis 20 Zoll mit bis zu 13 Zoll Steigung montiert werden. Dies versprach eine nochmals leicht verbesserte Traktion bei deutlich verlängerter Laufzeit, was sich in der späteren Flugpraxis dann auch in vollem Maße bestätigten sollte. Mit dieser Kadettenversion, nun bei knapp 5.400 g Startgewicht angelangt, konnte man sich mit Seglern von bis zu 6.000 mm Spannweite und 8.000 bis 9.000 g Fluggewicht noch gut anfreunden. Es versteht sich von selbst, dass mit wachsendem Größen-Gewichts-Verhältnis zu Ungunsten des Schleppers das Fliegen zu einem Akt hoher Konzentration gerät, bei dem es gilt, vorne weite und hinten noch weitere Kurvenradien zu fliegen. Besonders schwierig scheinen die Passagen, bei denen in schon großer Höhe und Entfernung nur die Rumpfsilhouetten der Modelle sichtbar sind. Mit dieser Antriebsversion konnte dann beispielsweise der DMFV-Seglerschlepp-Wettbewerb 2010 gewonnen werden. Der geschleppte Viermetersegler wog dabei 4.500 g. Es konnte damit in sechs (!) Schleppflügen mit einer Akkuladung eine Gesamthöhe von 2.112 Meter erflogen werden. Auch wenn solche wettbewerbsbedingten Energie-Stresstests mit Rücksicht auf den Akku nicht unbedingt an der Tagesordnung sein dürften, zeigt er doch das Potenzial, das der Elektroantrieb bei rundum stimmigen Randbedingungen heute schon aufzuweisen hat. Diese Version konnte in zahllosen Schleppflügen nachweisen, dass sie nicht nur wettbewerbs-, sondern auch in hohem Maße praxistauglich ist.
Warum denn so direkt?
Allerdings sollte sie noch nicht das obere Ende der Entwicklungsmöglichkeiten kennzeichnen. So reizte es den Autor, auch mal die besondere Befähigung von Getriebeaggregaten beim Antrieb von E-Schleppern zu testen. Ein früherer Vorversuch mit einem Lehner-Motor des Typs 1950-9Δ und einer Reisenauer Super Chief-7 : 1-Untersetzung musste bereits nach wenigen Testflügen als gescheitert erklärt werden, da das – wegen der gewünschten Propellergröße – hoch untersetzende Getriebe nur ein Sonnenrad (Antriebsritzel) von sehr geringem Durchmesser zulässt. Dieses muss sich zwangsläufig mit einer 4-mm-Bohrung und entsprechend abgedrehter Welle begnügen – äußerst wenig Klebefläche für die Übertragung von damals etwa 2.000 Watt (W) Antriebsleistung. Da hilft es auch nicht, wenn der 2-Pol-Innenläufer auf dem Prüfstand mit mehr als 91 Prozent Wirkungsgrad zu glänzen weiß. Das Ganze kommt nicht rüber.
Und warum kein Außenläufer? Nun, von einer Außenläufer-Getriebekombination ist nur dann ein Vorteil zu erwarten, wenn eine punktgenaue Abstimmung im Bereich hoher Leistung erfolgen kann und diese auch nur relativ kurzzeitig abgefordert wird. Denn der Außenläufer hat ein Kühlproblem, das sich durch ein Vorschaltgetriebe natürlich zuspitzt. Im Schleppereinsatz oder bei Hotliner-Elektrosegler wo man größtenteils mit Vollgas steigt und nach einer überschaubaren Zeitdauer Antriebspause macht, sind diese entlastenden Bedingungen gegeben.
Zwischenzeitlich vermittelt die rasante Entwicklung auf dem Sektor großer Elektrohelis neue Impulse. Hier wurden seitens der Motorenhersteller neue 8- bis 10-Pol-Außenläufer entwickelt. Sie liefern, auch dank eingebauter Kühlturbinen, bei einer Motormasse um 400 g bis zu 3.000 W Leistung ab – und das nicht nur für einige Sekunden. Ihr Drehzahlniveau liegt etwa zwischen dem großen Außenläufer (<300 U/min/V) und den bereits bekannten 2-Pol-Innenläufern (>1.000 U/min/V) bei 450 bis 650 U/min/V. Alle Kandidaten verfügen über eine 6-mm-Abtriebswelle, um das produzierte Drehmoment auch schlupffrei weiterreichen zu können. Der eigentliche Vorzug: Jetzt genügt schon ein Untersetzungsverhältnis von etwa 4 : 1, um bei Speisung aus 10s- bis 12s-LiPo-Batterien Propeller von 20 bis 22 Zoll antreiben zu können. Damit wird die mögliche Bodenfreiheit des Antriebs voll ausgeschöpft. Auch diese Turbo-Außenläufer erreichen noch stolze Wirkungsgrade bis 90 Prozent, und das bei Stromwerten nahe 50 A. Wie gemacht also, um hinter der Schutzwand einer Getriebeuntersetzung auch mal in die Schlepperszene eingeschleust zu werden.
Zur Auswahl standen erst mal vier Motortypen:
• Hacker A50-12L-8Pole Electric Turbine: Masse 480 g, nspez = 640 U/min/V, geeignet erscheinend für Antriebe mit 10s bis 12s
• Strecker 370.30 Heli 13W: Masse 405 g, nspez = 545 U/min/V, geeignet erscheinend für Antriebe mit 12s
• Kontronik Pyro 30-12 (neu:Pyro 700-52): Masse 405 g, nspez = 550 U/min/V, geeignet erscheinend für Antriebe mit 12s
• Plettenberg 30/12: Masse 475 g, nspez = 455 U/min/V, geeignet erscheinend für Antriebe mit 12s bis 14s
Auswahlgründe können manchmal geradezu ernüchternd trivial sein: Wegen des zum Super Chief-Getriebe passenden Lochbilds erhielt der Strecker-Motor spontan den Zuschlag. Begnügt man sich mit der 20 × 13-Zoll-Propellergröße, so liegt die Stromaufnahme bei 12s (etwa 42 V) bei knapp 45 A, mithin auf dem etamax-Plateau. Dabei werden 1.900 W auf sehr akku- und motorschonende Weise mobilisiert. Die Antriebsabstimmung scheint ganz optimal zu passen. Wie allerdings zu erahnen, bezahlt man für die im direkten Vergleich zum Außenläufer eingesparten 115 g einen geradezu unverschämten Preis, zumal das Reisenauer- Super Chief-Planetengetriebe in dieser Leistungsklasse derzeit eine Monopolstellung zu besetzen scheint – mit all den naheliegenden Begleiterscheinungen.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass zum Einbau des Getriebeaggregats, das rückseitig freiliegen muss, nun auch ein neuer Kadett 2400-Versuchsträger fällig wurde. Er präsentierte sich in der bekannt guten Bauqualität und bekam auch die oben schon beschriebenen Verstärkungselemente verordnet. Dank eines aus früheren Erfahrungen gespeisten Downsizing im RC-Bereich treiben 12s-LiPos mit 6.000 mAh Kapazität das Gesamtgewicht gerade mal auf humane 5.800 g hoch. Mit Seglern, die nicht mehr als der Schlepper wiegen, werden mit der 20 × 13-Zoll-Latte bei Nutzung von durchaus unkritischen 90 Prozent der Akkukapazität etwa acht Steigflüge auf insgesamt 2.400 Höhenmeter möglich. Danach, so findet der Autor, dürfte der Pilot auch mal ’ne Ladepause verdient haben.
Lesen Sie den gesamten Artikel in der Ausgabe 02/2011 vom Elektroflug-Magazin.
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