Rudermomente und Servokräfte
Schaut man sich das Angebot der Servo-Hersteller und Vertreiber an, so ist die Palette schier unübersichtlich groß. Es finden sich dort nicht nur verschiedene Baugrößen, auch Stellgeschwindigkeiten und Drehmomente sind teilweise stark unterschiedlich. Doch welches Servo ist das Richtige?Der häufigste Einsatz für Servos im Flugmodellbau ist natürlich die Betätigung aller möglichen Klappen, seien es die Quer-, Höhen- oder Seitenruder, aber auch die Wölb- und nicht zuletzt Störklappen. Sowohl senkrecht ausfahrende, nach dem Prinzip von Schempp-Hirth, als auch solche, die ausgeklappt werden.
Drehmomente
Intuitiv ist zu erahnen, dass klappbare Störklappen etwas stärkere Servomomente benötigen. Ob das wirklich so ist, und wenn ja, warum, werden wir im weiteren Verlauf noch näher untersuchen. Neben den Störklappen erzeugen offensichtlich normale Ruderklappen auch Drehmomente, die von den Servos bewältigt werden müssen. Doch wo rühren diese Momente her?
Es existiert eine doch sehr simple Vorstellung der Wirkung, die besagt, dass, wenn eine Klappe um einen gewissen Winkel ausschlägt, sie der Strömung einen entsprechenden Flächenanteil entgegenstellt. Somit wirkt ein Staudruck auf das Ruder und erzeugt ein Rückstellmoment.
Richtige Ansätze
Doch wie so oft ist diese Erklärung – zumindest für kleine Winkel – falsch. Tatsächlich würde man nämlich erwarten, dass ein neutral gestelltes Ruder keinerlei Momente erzeugt. Aber genau das stimmt nicht.
Betrachten wir die Situation etwas genauer. Eine Tragfläche erzeugt Auftrieb, weil es durch ihre Formgebung und den Anstellwinkel zu Strömungsverhältnissen kommt, die auf ihrer Oberseite ein Unterdruckgebiet und auf ihrer Unterseite ein Überdruckgebiet erzeugt (FlugModell 1/2009). Der Druck auf der jeweiligen Seite ist jedoch nicht konstant. Sein Maximum beziehungsweise Minimum liegt deutlich in der vorderen Hälfte der Profiltiefe.
Zur Endleiste hin fällt der Überdruck der Unterseite ebenso auf den Normaldruck der Umgebung ab, wie der Unterdruck oben entsprechend auf den Umgebungsdruck ansteigt. Eine Ruderklappe liegt nun genau im letzten Teil dieser Druckverläufe. Sie „sieht“ also gleichsam die Ausläufer des Tragflächenauftriebs und das tatsächlich auch schon, wenn sie gar nicht ausschlägt.
Druckverhältnisse
Soll die Klappe nun mit einem gewissen Winkel angestellt werden, der ausreichend klein ist, sodass es noch nicht zu einer Strömungsablösung an der Ruderklappe kommt, dann verändert dies zunächst die Druckverhältnisse. Schlägt die Klappe nach unten aus, so steigt der Gesamtauftrieb. Wird sie nach oben angestellt, so verringert sich der Auftrieb. Entsprechend verändern sich mit den gesamten Druckverhältnissen auch die Verhältnisse an der Endleiste beziehungsweise der Ruderfläche.
Interessant dabei ist, dass eine nach oben ausschlagende Ruderklappe sogar deutlich weniger Stellmoment erzeugt, als eine nach unten ausgeschlagene, ja sogar weniger als eine Klappe in Neutralstellung. Letztlich ist aufgrund der am Ende des Profils nur noch sehr geringen Druckunterschiede das Haltemoment, das die Servos aufbringen müssen, sehr gering.
In der Regel sind die dynamischen Momente durch die Trägheit der Klappe und die Lagerreibung sehr viel größer. Ist ein Servo also am ruhenden Modell leicht in der Lage, eine Klappe zu bewegen, wird es ihm in der Luft ebenso leicht gelingen. Dies alles widerspricht nun tatsächlich gänzlich der oben erwähnten Erklärung. Muss sie also zu den Akten gelegt werden?
Ablösungen
Die bisher vorausgesetzte Annahme einer an der Ruderklappe nicht abgelösten Strömung ist nicht unbedingt in jeder Situation realistisch. Tatsächlich bemerkt man schon bei Ausschlägen von wenigen Grad eine teilweise Ablösung.
Nun sind die Druckverhältnisse allerdings vollkommen andere. Im Bereich des Ablösewirbels sinkt der Druck schnell auf nahezu Umgebungsdruck ab. Auf der Gegenseite bildet sich dagegen ein Staudruck aus. Jetzt kommt das erwähnte Modell doch zum Tragen. Die Rudermomente steigen stark an. Um diesen verlustbehafteten Zustand hinauszuzögern, sind Turbulatoren vor den Ruderklappen dringend angeraten. Man findet sie selbst im Mann-tragenden Flug häufig.
Sind solche Ablösungen unvermeidlich – wie zum Beispiel gerade bei Kunstflugmodellen, bei denen die Ruder bis zu 30 Grad ausschlagen – so muss man mit teilweise extremen Rudermomenten rechnen. Die Momente, die ein Servo zu kompensieren hat, sind dabei weitaus höher, als am nicht angeströmten Flügel. Eine entsprechende Dimensionierung der Servos ist also zu berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich nun verstehen, warum auch eine aufklappende Störklappe eine nicht unerhebliche Last für das Servo darstellt. Sie wird in der Regel so stark angestellt, dass sich hinter ihr eine vollkommen abgelöste Strömung ausbildet. Sie erzeugt damit zum Einen natürlich einen deutlichen Widerstand, weil der Staudruck auf ihrer Vorderseite eben nicht mehr kompensiert wird, zum Anderen aber eben auch ein starkes rückstellendes Moment.
Schempp-Hirth-Klappen haben dabei einen sehr großen Vorteil. Die Belastung wird durch die Konstruktion aufgefangen. Da sie sich beim Aus- und Einfahren rechtwinklig zu der Kraftwirkung auf ihrer Frontfläche bewegen muss, hat das Servo im schlimmsten Fall etwas erhöhte Lagerreibungen zu überwinden. Die Anforderungen an das Stellmoment des Servos sind dabei um ein Vielfaches geringer. Daher hat sich diese Konstruktion im manntragenden Flug überall da durchgesetzt, wo Störklappen manuell über Seilzüge oder Gestänge bedient werden. Man nimmt dabei die aufwändigere Konstruktion in Kauf.
Klapperklappe
Generell heißt es, Ruderklappen sollen möglichst spielfrei angelenkt werden. Doch verstößt man gegen diese Regel der sauberen Bauausführung bisweilen, so ist – wenigstens bei moderatem Spiel – dennoch ein sauberes Fliegen möglich. Und ins Schwingen kommen die Klappen selbst bei hohen Geschwindigkeiten auch nicht.
Dieses Verhalten lässt sich nun gut verstehen. Da eine Klappe selbst im Neutralzustand ein Moment erfährt, dass sie nach oben ausschlagen lassen will, wird durch diese Last die Klappe immer gegen einen Anschlag des spielbehafteten Lagers gedrückt.
Die Ruderklappe kann so also auch nicht ins Schwingen geraten. Dies gilt zumindest bei ausreichend leicht gebauten Ruderklappen. Tatsächlich soll dies jedoch nicht zu unsauberen Bauausführungen verleiten. Wenn jedoch etwas Spiel in der Anlenkung ist, so ist das weniger kritisch, als man vermuten würde.
Ganz anders sieht dies bei schwergängigen Scharnieren oder Anlenkungen aus. Sie sind in jedem Fall zu vermeiden, da hierdurch nicht gewährleistet wird, dass die Klappe immer wieder denselben Neutralzustand annimmt. Die erwähnten Druckmomente sind sehr klein. Starke Haftreibung in Anlenkung oder Scharnier können sie nicht kompensieren. Also ist es besser, lieber etwas Spiel vorzusehen, als zum Beispiel einen zu stramm sitzenden Gabelkopf zu haben.
Schwingungen
Erst wenn es zur Katastrophe kommt und die Anlenkung versagt, sodass die Klappe freigegeben wird, kann es bei schwereren Klappen zur Ruderschwingung kommen. Reißt sich eine Klappe los, so wird sie zunächst dem Moment so folgen, dass sie nach oben ausschlägt. Sehr bald wird sie jedoch so weit ausschlagen, dass die Strömung auf ihrer Unterseite abgelöst ist. Der obere Staudruck überwiegt und drückt die Klappe wieder zurück. Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
Leichte Klappen pendeln sich recht schnell ein und kommen zu einem konstanten Ausschlag nach oben. Geschieht dies am Querruder, so kann man Glück haben und mit entsprechendem Gegensteuern das Modell noch sicher landen. Schwere Klappen hingegen neigen durch ihre Trägheit stark dazu, sich über die Gleichgewichtslage hinauszubewegen und werden dann erneut in die Gegenrichtung gedrückt.
Dieser Vorgang wiederholt sich ständig und kann sich in ungünstigen Fällen sogar so weit aufschaukeln, dass die Klappe abreißt oder zumindest so viel Widerstand hervorruft, dass ein stabiler Flug nicht mehr möglich ist. Das Modell wird dann oft ins Flachtrudeln übergehen, wobei es durch den dann folgenden unkontrollierten Aufschlag schweren Schaden nehmen kann. Leicht gebaute Klappen stellen also nicht nur eine sehr viel geringere dynamische Belastung der Servos dar, im Fall des Versagens der Anlenkung können sie zudem das Modell noch steuerbar halten.
Eine Frage der Auslegung
Bei den meisten Modellen ist die Belastung der Ruder durch die Strömungsverhältnisse sehr klein. Viel gravierender sind Lager- und Anlenkungsreibung, sowie die dynamischen Momente, die umso höher ausfallen, je schneller die Klappe bewegt werden muss. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist, dass zum Einen schon am Boden bei herkömmlichen Modellen eine gute Aussage über das nötige Stellmoment des gewünschten Servos getroffen werden kann. Zum Anderen – wenn es die Dynamik des Modells beziehungsweise die Vorlieben des Piloten zulassen – können langsamer laufende Servos dann auch kleiner sein. Dies ist nicht ganz unerheblich, denn da langsamere Servos von sich aus in der Regel höher untersetzte Getriebe besitzen und daher tatsächlich größere Stellmomente aufweisen, kann das verwendete Servo oft sehr klein ausgelegt werden. Dies kommt dem Einbau gerade in recht dünnen Tragflächen zugute. Lediglich in großen Kunstflug-Modellen mit großen Klappenausschlägen sollten deutlich stärker ausgelegte Servos verwendet werden.