Staufenbiel-Jet-Flugtage in Ganderkesee
Da behaupte noch mal einer, im Norden gäbe es keine hochkarätigen Modellflugtage. Das Event Staufenbiel-Jet-Flugtage in Ganderkesee im zurück liegenden August räumte gnadenlos mit diesem Vorurteil auf. Jets der Oberklasse und Propellermaschinen vom Feinsten säumten das Flugfeld und zelebrierten ein Fest der Lüfte im Supersize-Format.
Dass das Wetter an beiden Tagen auch gerne hätte besser sein können, ist ein Schicksal, das viele Flugtage diesen Sommer teilen. Die Aussteller und Piloten trotzten den Unbillen und unterhielten die Zuschauer – die doch ein stattliches Salär zu entrichten hatten, bevor man dichter ans Geschehen kam. Fürs Geld bekam man dann Bestes geboten, beispielsweise Jets der Superlative, wie sie unter anderem Friedhelm Graulich oder Thomas Roth vorflogen.
Groß geraten
Beinahe unglaublich mutete an, dass der Erstflug der Rafale von Thomas Roth erst zwei Wochen vor dem Flugtag in Ganderkesee stattfand. Modell und Pilot hinterließen den Eindruck eines lang eingespielten Teams. Trotz heftiger Böen präsentierte er den Jet souverän erstmals der Öffentlichkeit. Die Modellgröße spielt dabei sicher eine tragende Rolle, denn mit einer Spannweite von 3.200 Millimeter (mm), einer Länge von 4.300 mm und einem Abfluggewicht von 52 Kilogramm (kg) spielt diese Rafale bereits in einer anderen Liga als die meisten Turbinenmodelle. Ganze 11 Liter Kerosin fliegen mit. Die teilen sich genüsslich zwei Raptor-Turbinen von Frank Turbinen und leisten gemeinsam etwa 45 Kilogramm Schub. Das Leistungsvermögen der Rafale beeindruckte im Flug über das normale Maß hinaus. Schließlich ist sie voll kunstflugtauglich und mit einer Belastbarkeit bis 8g auch dafür zugelassen.
„Ich versuche möglichst originalgetreu zu fliegen. Mit einem Jet nur rum zu heizen macht mir keinen Spaß“, erklärt Thomas Roth. „Dank der angesteuerten Canards fliegt sich die Rafale sehr agil“. Was ihr Pilot auch gekonnt vorführte. Den Rohbau des weitgehend aus Holz entstandenen Modells übernahm Robert Moosbauer, der die Rafale schon einmal gebaut hat. Den Einbau von Antrieb und Technik sowie das Finish erledigte Thomas Roth. Bei der vorbildgetreuen Lackierung wählte er ein Originalschema einer Rafale, die 2009 beim Tiger Meet der NATO teilnahm. Details des Airbrushs ließ er machen, alles andere lackierte er selbst.
Experiment
Seltene Flugzeuge, die nicht jeder baut, anbietet oder fliegt, stehen bei Friedhelm Graulich hoch im Kurs. „Vom original Experimentalflugzeug X-29 der Firma Grumman gab es nur zwei Exemplare, mit denen die Amerikaner die Flugeigenschaften von Flugzeugen mit vorgepfeilten Flächen untersuchten. Obwohl die Eigenschaften sehr gut sind, ging die X-29 nie in Serie“, erzählt er mit einem Blick auf sein Modell. Bei einer Spannweite von 2.250 mm und der fast doppelten Länge von 4.300 mm, hinterlässt der Jet nachhaltig Eindruck. Unglaublich klingt das niedrige Abfluggewicht von 23,7 kg. Die werden zum Spielball von Pilot und Turbine. Wenn Friedhelm Graulich Gas voll reinschiebt entlässt die neueste Version der Frank-Turbine TJ 7060 Raptor zirka 22 kg Schub. In Action ein beeindruckendes Spektakel aus Leichtigkeit und Leistung.
Auch dieser Jet entstand, wie so viel zuvor, wieder als Gemeinschaftsprojekt mit Arno Donath. Er übernahm den Rohbau und Friedhelm Graulich den technischen Ausbau. Erfahrungen aus dem Bau einer mit 3.000 mm Länge etwas kleineren X-29, die vor sieben Jahren entstand, flossen ins neue Modell mit ein. Das Cockpit ist selbst gebaut und die Pilotenfigur eine Einzelanfertigung von Matthias Scherm.
Fantasy in Blue
Richard Knoll reiste aus Holland an und hatte wie schon im vergangenen Jahr wieder seine Fokker F-28 im Gepäck. Der Verkehrsjet ist eine Show für sich – und gehörte außer einer A-300 zur seltenen Spezies dieser Jet-Gattung. Alleine die Abmessungen mit einer Spannweite von 2.600 mm und einer Länge von etwa 3.000 mm sorgen für Aufsehen. Dabei ist der Regionaljet mit einem Gewicht von 17 kg nicht mal schwer geraten. Zwei Turbinen von Jet Century, die zusammen 13 kg Schub leisten, sorgen für Vortrieb und passenden Sound.
Das Modell wurde mit der Jubiläumslackierung „Fantasy in Blue“ versehen, wie es beim Original zum 75-jährigen Bestehen der KLM 1979 aufgetragen wurde. Der Jet ist ein kompletter Eigenbau, so entstanden der Rumpf und die beiden Antriebsgondeln aus GFK. Bei der Tragfläche und den Leitwerken wiederum bildet Styropor, das mit Balsa beplankt ist, das Fundament. Eine Besonderheit sind die funktionsfähigen Bremsklappen im Heck, die beim Landen helfen, die Geschwindigkeit zu reduzieren.
Doppeldecker-Ära
Einen Hauch von Nostalgie versprühte das Ensemble aus mehreren Doppeldeckern der 1910er- bis 1930er-Jahre. Geplant war die Zusammenkunft der wunderschön anzusehenden Modelle nicht. So überzeugte der spontane Ausflug von bis zu vier gleichzeitig fliegenden Doppeldecker-Oldtimern um ein Weiteres.
Claus Stoeven steuerte mit seiner Fokker D-VII das größte Modell bei. Mit kaum zu übersehenden 3.560 mm Spannweite und einer Modellänge von 2.900 mm ist dieses Erst-Weltkriegs-Flugzeug raumgreifend und nicht zu übersehen. Claus Stoeven nutzte die Gelegenheit, die die großen Oberflächen bieten und wählte ein höchst attraktives Farbschema. Sie entspricht dem Original, das Baron von Richthofen geflogen hatte. „Das ist eine Originallackierung. Die „Sieben Schwaben“ hat es so gegeben, und zwar als Staffelkennung. Die Unterlagen zum Original habe ich mir extra aus Amerika organisiert“, erklärt er. Und wie beim Original ist auch das Modell Teil einer Staffel. Zwei weitere Fokker D-VII in gleicher Größe harren noch dem Ertsflug – wobei einer davon in den nächsten Wochen erfolgen soll und man dann schon zu zweit wäre.
„Im Original werkelte ein Mercedes-Motor mit 180 PS Leistung, was seinerzeit sehr viel war. Das machte die D-VII bei den Piloten zu einem begehrten Muster,“ führt Claus Stoeven aus. Das Modell bekam einen ZG80 mit 1:2,5-Getriebe verpflanzt, der ebenfalls für reichlich Leistung sorgt. Den Bau des Doppeldeckers begann er vor etwa drei Jahren. Wie bei allen seinen Modellen ist das Grundmaterial Holz. „Was beim Original in Stahlrohr gebaut wurde, ist beim Modell konsequent in Holz gehalten,“ so Claus Stoeven. Nicht nur für Holzwürmer ist dieses Großmodell ein Hingucker par excellence.
Riesen-Welpe
Es heißt Pup – englisch für Welpe – und nicht Pub – englische Bezeichnung von Kneipe. Diese Lektion ist verinnerlicht. Die Sopwith Pup von Kai Orth macht sich auf dem Flugplatz auch besser als in einer anderen Umgebung. Bei einer Spannweite von 2.600 mm und einer Länge von 2.200 mm benötigt der Oldtimer nicht einmal Welpenschutz – er kann sich sehr gut in der Luft behaupten. Dazu trägt der sonor klingende Fünfzylindersternmotor Moki S215 mit 13,5 PS bei, der mehr als ausreichend Kraft zum Bewegen des 18,5 kg wiegenden Modells bereit stellt.
„Vom Original in dieser Lackierung sind weltweit nur fünf Muster hergestellt worden. Mich begeisterte diese Farbgebung, das wollte ich unbedingt nachbauen. Es ist eine Kunstflug-Lackierung und das Original ist auch dafür genutzt worden“, entsprechend pilotierte Kai Orth seine Sopwith Pup auch durch die Luft. Erstaunlich hingegen klingt, dass das Original erst Ende der 1930er-Jahre gebaut wurde. Um das Vorbild wiederzugeben, bespannte er es mit Oracover-Textilfolie. Zum Erstellen der Alterungsspuren wurde ein Zimmermann-Bleistift mit einem Tellerschleifer feingemahlen. Das entstandene Mehl trug er mit einem Schwamm auf die Folie auf und fixierte anschließend alles mit Klarlack. Der Effekt übererzeugt und trägt wesentlich zum gelungenen Gesamteindruck bei.
Was Neues
Zwischen den großen Doppeldeckern mischte die neue Waco von Ingo Ackermann mit. Mit einer Spannweite von 1.850 mm wusste sich das im direkten Vergleich eher kleine Modell aber immer zu behaupten. Sie entstand aus einem Holzbausatz eines englischen Herstellers, so viel wusste Ingo Ackermann übers Modell, bevor er es seinem ehemaligen Besitzer abkaufte. Eine Kleinanzeige hatte ihn auf das amerikanische Flugzeug aufmerksam gemacht. Bevor die Waco zum ersten Mal in die Luft durfte, musste es einige Änderungen über sich ergehen lassen, beispielsweise Einstellung der EWD. „Neben meiner doch etwas langsameren Sopwith wollte ich einen schnelleren Doppeldecker haben“, so Ingo Ackermann. In Ganderkesee präsentierte sich das 8 kg wiegende Kleinod dann in all seiner Pracht.
Ebenfalls frisch aus der Werkstatt, auch wenn unter der Haube reichlich betagt, ist die Bücker Jungmeister von Oliver Maschke. Konstruiert wurde das Modell von einem ehemaligen Mitarbeiter der Firma Bücker, stand zunächst viele Jahre als Rohbau bei einem Fliegerkollegen im Keller, dann bei seinem Bruder und schließlich nochmals drei Jahre in seinem eigenen Keller. „Irgendwann fasste ich den Entschluss, die Bücker endlich fertig zu stellen und zum Einsatz zu bringen,“ so Oliver Maschke. Beim Rohbau nahm er noch einige Modifikation vor, um das Modell seinen persönlichen Bedürfnissen und dem aktuellen Stand der Technik anzupassen. Da das Modell bereits im Rohbau weitgehend vorbildgetreu gewesen ist, führte er dieses auch so fort. „Die Vorbildtreue dokumentieren zu können, war mir sehr wichtig.“ Die Lackierung der mit 2.660 mm Spannweite und 24,3 kg Gewicht groß geratenen Bücker entspricht dem Original des ungarischen Kunstflugpiloten Alex Papana. Angetrieben wird das im Maßstab 1:2,5 erbaute Modell von einem Siebenzylindersternmotor von Seidel.
Bitte ein Pitts
Modernen Kunstflug vom Allerfeinsten zelebrierte Tim Stadler mit seiner neuen Pitts Model 12, einem Bausatz von 3W-Modellmotoren. Trotz ihrer Größe, bei einer Spannweite und Länge von je 3.000 mm und einem 3W-Vierzylinderboxermotor mit 220 Kubikzentimeter Hubraum, wiegt sie aufgetankt und mit Rauchöl knapp 24 kg. „Ich habe das Modell auf meinen Flugstil hin abgestimmt, beispielsweise die EWD etwas angepasst und andere Maßnahmen ergriffen, die die Aerodynamik und das Gewicht beeinflussen. So macht sie einen super exakten Kunstflug und fliegt für die Größe auch im 3D-Flug recht wendig,“ urteilt Tim Stadler über seine Pitts. Wie recht er hatte, demonstrierte er mit einer eindrucksvollen Kunstflugshow.
Tim Stadler war der anschließende Applaus sicher, ebenso wie allen anderen Piloten bei ihren Flügen. Dem Publikum wurde eine Show mit erstklassigen Modellen, vorgetragen von Toppiloten, gezeigt. Den Wetterkapriolen zu trotzen, war der Staufenbiel-Flugtag in Ganderkesee wieder einmal wert.