Vorbild-Dokumentation: Fournier RF-9
Zweisitzige, selbststartende Reise-Motorsegler waren Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre vor allem in Deutschland recht populär. Diese damals noch relativ neue Flugzeugklasse erlaubte eine relativ preiswerte Anfängerschulung für Segelflugpiloten. Zu den damals besonders erfolgreichen Konstruktionen zählten insbesondere die Scheibe SF-28 Tandemfalke oder auch die Scheibe SF-25 Motorfalke. Aus dieser Epoche stammt aber auch die zweisitzige Fournier RF-9.
Der Motorsegler ist eine elegante Holzkonstruktion mit nebeneinander liegenden Sitzen und Einziehfahrwerk. Einen besonders sportlichen Touch verlieh der RF-9 die große, einteilige, nach hinten klappbare, flache Haube. Für einfaches Unterstellen in der Halle wurden Beiklappflächen verwendet, wodurch die Abstell-Spannweite auf 10 Meter reduziert werden konnte. Die Tragflächen sind dreiteilig ausgebildet und verfügen über ein NACA-Profil der Serie 64.3618.
Aufstieg
Der Konstrukteur René Fournier war zuvor insbesondere durch die schnelle zweisitzige Fournier RF-5 bekannt geworden, von der 205 Exemplare in Deutschland bei Sportavia gebaut wurden. Ein schnelles Flugzeug, dessen reine Segelflugleistungen mit einer besten Gleitzahl von 1:22 doch bescheiden waren, auch wenn später ein Drei-Position-Verstellpropeller zum Einsatz kam, bei dem die Blätter mit einem Hebel im Segelflug strömungsgünstig verstellt werden konnten. Mit einer Spannweite von 17 Meter bot die RF-9 da schon deutlich bessere Voraussetzungen, die beste Gleitzahl stieg somit von 1:22 auf etwa 1:29. Als Motor wurde anfangs ein 68-PS-Vierzylinder-Limbach-Motor mit einem Hubraum von 1.700 Kubikzentimeter verwendet. Damit erreichte die Maschine immerhin eine Reisegeschwindigkeit von etwa 150 bis 155 Kilometer in der Stunde. Aber die Startstrecke und vor allem die Steigflugleistungen waren noch sehr schwach, da das Flugzeug relativ schwer war. Später wurden alle Maschinen mit dem 80-PS-Limbach-L-2000-Motor ausgerüstet wobei die Dauerleistung rund 70 PS bei 3.200 Umdrehungen pro Minute betrug. Die Reiseleistung stieg immerhin um etwa 15 Stundenkilometer und die Steigflugleistung um einen Meter pro Sekunde.
Der Prototyp mit dem Kennzeichen F-WARF startete 1976 zum Erstflug in Nitray an der Loire, vom kleinen Werksflugplatz der Firma Fournier. Die RF-9 fiel von Anfang an durch ihr elegantes Aussehen auf, auch das Fahrwerk mit der besonders großen Spurweite von 2,70 Meter machte einen guten Eindruck. Noch vor der endgültigen Musterzulassung hatte Fournier zehn Serienmaschinen aufgelegt, die jedoch bedingt durch mangelnde Produktionskapazitäten von einem in der Holzbauweise erfahrenen Sub-Unternehmer angeliefert wurden, sodass in Nitray nur der eigentliche Zusammenbau erfolgte.
Slow down
Der Prototyp hatte noch Wölbklappen, wodurch insbesondere die Langsam- und Segelflugleistungen verbessert werden sollten. Es stellte sich aber im Laufe der Erprobung heraus, dass die Erwartungen diesbezüglich nicht erfüllt wurden; vor allem nicht unter Berücksichtigung des konstruktiven Mehraufwands. Also wurde ein neuer Flügel für den Prototyp gebaut. Als Bremsklappen dienten große Schempp-Hirth-Klappen auf der Tragflächenoberseite. Die erste Serienmaschine wurde 1980 ausgeliefert. Das Haupt-Handicap war die relativ schwache Motorisierung. Für René Fournier sollte das Flugzeug vor allem durch leichte und besonders harmonische Flugeigenschaften Spaß am Fliegen bieten. Schnelligkeit war nicht das primäre Ziel. So war die Maschine anfangs auch nur mit einem 35-Liter-Tank vorne in der Rumpfspitze ausgerüstet, dies war aber eindeutig zu wenig, die Reichweite lag damit bei gerade einmal rund 360 Kilometer. Später gab es jedoch noch einen 45-Liter-Zusatztank.
War die Fournier-Maschine noch in Holz gebaut, aber immerhin schon mit witterungsbeständigem Dacron bespannt, so waren die Mitbewerber am Markt schon aus Kunststoff. Die Grob G-109 und auch die Taifun sowie die H-36 Dimona zum Beispiel waren komplett aus GFK konstruiert.
Mittellos
Die Firma Fournier verfügte damals über nur bescheidene Finanzmittel. Zwei RF-9 wurden an eine staatliche französische Segelflugschule verkauft, zwei gingen nach Deutschland. Die erste davon – Werks-Nummer 07 – mit dem Kennzeichen D-KNAK nach Bad-Neuenahr, die zweite – Werks-Nummer 10 –, Kennzeichen D-KEUK, als letzte Serienmaschine nach Coburg. Geplant war eine monatliche Fertigung von einem Flugzeug.
Da der Preis der RF-9 nicht besonders niedrig war und Kunden der GFK-Bauweise den Vorzug gaben, blieben die Bestellungen aus. Die Firmenleitung und auch externe Berater schlugen daher auch vor, die Kunststoffbauweise einzuführen. Die Zelle sollte äußerlich weitgehend übernommen werden und auch Motor und Fahrwerk blieben unverändert. Die Kabinenhaube konnte etwas flacher gestaltet werden, da die Sitze auch etwas niedriger bauten. Der hintere Bereich der Rumpfröhre fiel ebenfalls dünner aus. Durch diverse Modifikationen entstand so die RF-10.
Schwere Entscheidung
Der Prototyp startete 1985 zum Erstflug, kurz darauf wurden zwei weitere Zellen aufgelegt. Diese war rund 60 Kilogramm schwerer als die Holzvariante. Allein auf den Rumpf entfiel mehr als die Hälfte des Mehrgewichts. So reichte die Leistung gerade auf nassen Grasplätzen kaum aus, um die RF in die Luft zu bekommen. Während der Flugerprobung 1981, nachdem die Maschine bereits etwa 298 Trudeldrehungen absolviert hatte, gab es bei der Trudelerprobung mit hinterster Schwerpunktlage und abgestelltem Motor ein ernstes Problem. Als die Maschine nach drei Umdrehungen nicht aus dem Trudeln kam, und der Pilot nach zwölf folgenden, unfreiwilligen Drehungen mit dem Fallschirm aussteigen musste, war die Maschine danach zwar fast unbeschadet von selbst gelandet, doch die schlechte Nachricht verbreitete sich schnell. Als Lösung bot sich ein T-Leitwerk an. Dieser Leitwerkstyp war damals in Mode gekommen.
Die erste Maschine mit T-Leitwerk flog erstmals im Dezember 1983, es war die RF-10 mit der Werks-Nummer 03 und dem Kennzeichen F-WARH. Interessanterweise fliegen auch heute noch die beiden RF-10-Prototypen mit dem alten Kreuzleitwerk in Frankreich, allerdings mit einer speziellen, beschränkten Musterzulassung, der andere Prototyp ist erst vor einigen Jahren aus seinem Dornröschenschlaf erweckt worden. Damit wurde auch eine kleine Serie zusammen mit der Firma Aerostructure von insgesamt 14 Maschinen aufgelegt. Als einer der ersten Kunden war die portugiesische Luftwaffe zu nennen, die insgesamt vier Maschinen abnahm. Die brasilianische Luftwaffe nahm Mitte 1983 insgesamt 100 Exemplare ab. Ein schöner Auftrag, der aber der Firmenleitung Kopfzerbrechen bezüglich der Serienproduktion und den Lieferzeiten bereitete.
Remake
Eine wirtschaftliche Serienfertigung war aber unter den damaligen Bedingungen nicht möglich, sodass ein Lizenzvertrag mit der brasilianischen Firma Aeromot in Porto Alegre unterzeichnet wurde. Die Firma Aerostructure schloss Ende 1985. Werkzeuge und Formen wurden 1986 nach Brasilien gebracht. Bei Aeromot wurde die Maschine in AMT-100 Ximango umgetauft. Einige wenige Ximangos fanden sogar den Weg nach Deutschland und Frankreich.
In Deutschland hatten die Fournier Flugzeuge immer noch einen guten Ruf und auch eine treue Fan-Gemeinde. Untersuchungen ergaben, dass eine modernisierte Variante der RF-9 in Holz durchaus noch Markt-Chancen hätte – vor allem auch mit einem Rotax-Motor. In Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Gomolzig, bei der auch noch die alte RF-9 Nummer 10 flog, und der Firma ABS Aircraft als Nachfolgefirma von Sportavia auf der Dahlemer Binz, wo früher die RF-5 gebaut wurde, erhielt die RF-9 ab 1993 entsprechend eine Überarbeitung. Rein konstruktiv fiel vor allem ein Carbon-Holm auf, der einen deutlichen Gewichtsvorteil von etwa 30 Kilogramm brachte.
Gewichtsvorteil
Die RF-9 ABS flog erstmals 1994. Zwei weitere Zellen wurden aufgelegt, aber nicht endmontiert. Auch hier zeigte sich, dass ein erheblicher Kapitalbedarf für die Erprobung erforderlich war. 1993 hatte die Maschine ihr internationales Debüt auf der Luftfahrt-Ausstellung in Paris Le Bourget. Erneute Geldsorgen führten dazu, dass die ABS-Version zwar noch Ende 1997 musterzugelassen, aber nicht in Serie ging.
Ein Vergleich des Rüstgewichts der RF-10 beziehungsweise der Ximango zeigte, dass es einen Unterschied von etwa 100 Kilogramm zu Gunsten der RF-9 ABS gab. Hier zeigt sich der Vorteil einer modernen Holz-Bauweise. Die Steigflugleistungen überzeugten aber noch nicht wirklich, sie waren einfach zu gering, obwohl ein hydraulischer Verstellpropeller Verwendung fand. Zur damaligen Zeit gab es den weiterentwickelten, nahezu baugleichen Rotax-912-S-Motor mit 100 PS noch nicht. Mit etwas mehr Hubraum bei kaum erhöhtem Gewicht und einer um 170 Umdrehungen pro Minute geringeren Propellerdrehzahl durch ein Getriebe mit geänderter Untersetzung wären sicher überzeugendere Leistungen erreicht worden. Die Kapitalgeber waren aber nicht zum weiteren Einsatz für neue Tests und einer ergänzenden Musterzulassung zu bewegen.
Die zwei verbliebenen Zellen sollten zunächst noch in der Schweiz fertig gestellt werden. Nach der zunächst geplanten Verwendung als Amateurflugzeug mit einer beschränkten Zulassung wurden sie zum Schluss nach Polen verkauft. Die erste davon mit dem Kennzeichen SP-0065 erstand die Firma Polavia in Deblin bei Warschau 2009 mit einigen kleineren Änderungen. Nach ihrem Einsatz als Firmenflugzeug wurde die ehemalige RF-9 von ABS Aircraft später an den Luftsportverein LSGS Siebengebirge verkauft und auf dem Flugplatz Bonn-Hangelar stationiert, bevor sie einen neuen Eigentümer fand.