la piuma – Schön einfach – einfach schön

la piuma – Schön einfach – einfach schön

Gemeinsam mit einem großen, eleganten Storch kreise ich über grünen Wiesen und Feldern einen Thermikbart aus. Ein schwachwindiger Vormittag mit frisch aufkommender Quellbewölkung, schöner könnte es für einen Münsterländer Flachlandtiroler nicht sein. Für solch ein Flugerlebnis braucht’s gar nicht viel, lediglich ein Segelflugmodell, das man in größerer Höhe noch halbwegs ausmachen kann. Und eigenstabil fliegen sollte es, damit beim alltagsgestressten Piloten möglichst rasch ein Gefühl der Tiefenentspannung eintritt.

Da ich nun einmal zu den bekennenden Leichtschaum­freunden gehöre, war es an der Zeit, einmal einen Depron­segler mit signifikanteren Ausmaßen als immer nur für die Halle zu konstruieren. Dass das Konzept tatsächlich aufging, können Sie jederzeit selbst überprüfen, indem Sie das Modell an einem gemütlichen Wochenende einfach nachbauen. Den vollständigen Bauplan des hier vorgestellten Elektro-Seglers erhalten Sie kostenlos unter www.modell-aviator.de als PDF-Datei, welche ganz einfach im DIN A4-Format ausgedruckt wird. Sie müssen lediglich darauf achten, dass bei der Druckoption unter „Seitenanpassung“ die Auswahl auf „keine“ gestellt wird, sonst stimmt die Skalierung hinterher nicht. Überprüfen Sie dies sicherheitshalber anhand des Maßstabs, der auf der ersten Seite des Plans abgebildet ist.

Mit Leichtigkeit
La Piuma, das ist italienisch und bedeutet „die Daunen­feder“. Die Namensgebung kommt nicht von ungefähr, denn bei immerhin 1.700 Millimeter (mm) Spannweite wiegt der abflugbereite, Zweiachs-gesteuerte E-Segler lediglich 550 Gramm (g). Zum Vergleich: Ein formgeschäumtes Exemplar mit vergleichbaren Abmessungen bringt es gut und gerne auf das Doppelte. Seinen Profit schlägt der La-piuma-Besitzer daraus, dass die Flächen­belastung unter 17 g pro Quadratdezimeter bleibt. Auf diese Weise entzückt uns la piuma mit unwahrscheinlich unkritischem Flugverhalten. Absolut anfängertauglich fliegt sie völlig eigenstabil geradeaus. Eine vergurkte Fluglage kann, sofern sie nicht in Bodennähe auftrat, durch Loslassen der Knüppel selbständig wieder gerettet werden. Zum stabilen Kreisflug hält man Höhen- und Seitenruder mit geringen Ausschlägen gezogen. Lässt man los, richtet sich der Segler wieder aus und fliegt gemächlich geradeaus weiter. Ein Strömungsabriss geht schlichtweg nicht. Voller Höhen- und Seitenruderausschlag bedeutet deshalb einen korkenzieherartigen Steilabstieg, den das Modell aber bedenkenlos aushält. Sozusagen der eingebaute Not-Fallschirm bei Hammerthermik.

Wer jetzt noch vor dem Selbstbau zurückschreckt, dem sei versichert, dass die la piuma auf möglichst einfachen Aufbau hin konstruiert wurde. Der Rumpf besteht aus zwei Seitenteilen, die gleichzeitig das Seitenleitwerk beinhalten. Dazwischen sitzen Rumpfboden und -deckel und innen befindet sich ein simples Gerüst aus 4-mm-Pappelsperrholz. Das lässt sich gut nach alter Handwerkskunst mit der Laubsäge bearbeiten.

Trickreich
Das Depron hingegen – benötigt werden insgesamt zwei 6-mm-Platten der Größe 1.250 × 800 mm – kann prima mit einem Abbrechklingenmesser geschnitten werden. Hier habe ich einen Tipp zur Vorgehensweise. Den Bau­planausdruck mit wenig Sprühkleber einnebeln und auf ein Depronstück mit Übermaß auflegen. Nun kann das entsprechende Bauteil mitsamt Papier-Auflage mit dem Cutter herausgeschnitten werden. Nachher lässt sich das Papier mühelos wieder abziehen und fertig ist das exakte Teil.

Die Reihenfolge und einzelnen Abläufe des Aufbaus ­können Sie der im Bauplan auf Seite eins abgedruckten Kurzbauanleitung entnehmen. Darüber hinaus sind in­­formative Schnitt-Darstellungen sowie viele Tipps und Hinweise enthalten, die auch dem ungeübten Nachbauer umfangreiche Hilfestellungen an die Hand geben.

Feinschliff
Weiter geht’s, denn der Rumpf war ja noch nicht ganz fertig. Vor dem Verschließen der letzten Seitenwand kann man be­­quem die Anlenkungen installieren. Nach dem Ver­­schließen wird zunächst mit Hilfe zweier Winkelschablonen der Motorspant vorgeleimt. Hierzu ist es wichtig, die vorher noch recht roh auslaufende Rumpfschnauze mit Hilfe einer planen Schleiflatte, beklebt mit grober 60er-Körnung, exakt beizuarbeiten. Der Motorspant selbst sollte dann mit PU-Leim oder Epoxi sorgfältig angesetzt und bis zum Aushärten fixiert werden.

Nun geht’s ans Abrunden der Rumpfkanten. Da der ge­­samte Rumpf innen mit 6 × 6-mm-Verstärkungsstreifen aus Depron versehen ist, besteht genügend Fleisch für einen harmonischen, weichen Kantenradius. Den kann man ganz toll mit Hilfe eines Schleifschwamms herstellen. Von 3M gibt’s im Baumarkt einen in der Farbe grün, der hat genau die richtige Körnung für dieses Vorhaben, nämlich 60er. Mit dem roten Exemplar – Körnung 150 – geht man anschließend sanft zum Feinschliff über. Auch gut fürs Grobe: Der kleine Akkuschwingschleifer Prio von Bosch.

Erst jetzt wird die große Kabinenhaube anhand einer Konturschablone aus dem Rumpf herausgetrennt. Das garantiert absolute Passgenauigkeit und mit einer Zunge vorn sowie Magneten hinten kann das Teil jederzeit zum Akkuwechsel abgenommen werden.

Hacker-Power
Durch die lange Kabinenhaubenöffnung ist auch eine bequeme, nachträgliche Installation des Antriebs möglich. Meine Wahl fiel auf den knapp 50 g wiegenden Hacker A20-26 M evo, dessen Kopfspant-Montage mit vorn austretender 3-mm-Welle eine klassische Befestigungsmög­lichkeit bietet. Daher ist im Bauplan auch das Bohrbild für diesen Motor bereits im Motorspant enthalten. Mit einem Durch­messer von 28 mm passt der A20 auch prima in die Schnauze.

Der dazu geeignete Regler ist ein Hacker X-20 und die benötigten 12 Ampere Vollgasstrom bei der 10 × 6-Zoll-Klapplatte stellt ein 2s-LiPo mit 30C der Marke Rockamp bereit. Da der Akku im Schwerpunkt liegt, ist die Wahl der Akkukapazität ausgesprochen breitbandig. Von 800 bis über 2.000 Milliamperestunden Kapazität ist alles denkbar.

Mit diesem Setup steigt das Modell zügig und kraftvoll, aber nicht senkrecht. Die bereitgestellte Leistung ist diesem gemütlichen E-Segler dennoch angemessen und passt gut ins Gesamtbild. Mit ein- bis anderthalb Minuten Motorlaufzeit ist man auf jeden Fall in sicherer, großer Thermikhöhe angekommen. Ein zweizelliger 1.700er-LiPo stellt Leistung für etwa acht Steigflüge bereit, wodurch mindestens eine halbe Stunde Flugdauer die Regel ist.

Methodik
Wieder zurück zum Bau: Das Rumpfheck endet wenig überraschend mit dem Seitenruder, und dieses nimmt zunächst die Dicke der Dämpfungsflosse von 12 mm auf. Daher besteht das Ruderblatt aus zwei Lagen 6er-Depron und wird zur Endleiste bis auf eine Restdicke von zirka 5 mm ausgeschliffen. Der Scharnierbereich erhält eine beidseitige Anschrägung um 45 Grad, genau wie die Dämpfungs­flosse auch. Nun wird das Ruder beidseitig mit Tesafilm anscharniert. Tipp: Streichen Sie die Klebefläche dünn mit Uhu por ein und lassen Sie den Kleber antrocknen, so hält der Klebestreifen dauerhaft. Ähnlich wird mit dem Höhen­ruder verfahren, aber hier genügt eine einseitige Anschrägung, sodass die Oberkante das Scharnier darstellt.

Die la piuma besitzt ein T-Leitwerk, dessen Höhenruder-Anlenkungsdraht aus 0,8-mm-Stahldraht im Seitenleitwerk bogenförmig verläuft. Das erspart uns etwaige Umlenkungs­mechaniken und funktioniert einwandfrei, wenn man vorher den Schwung zwischen Daumen und Zeigefinger an entsprechender Stelle in den Draht hineinbiegt. Dabei ist das Höhen­leitwerk mit einer Nylonschraube abnehmbar, was den Trans­port auf der Hutablage oder im Rucksack sehr vereinfacht.

Auch die Flügel bleiben demontierbar. Hier entschied ich mich für eine klassische Gummiring-Befestigung. Alt, aber bewährt. Bei unsanften Landungen verschiebt sich der Flügel ein wenig und alles bleibt heil. Damit sind wir auch schon beim interessantesten Themen­bereich des Modells: Den Tragflächen, ihrer Bauweise und dem gewählten Profil.

Frage des Profils
Jedes Mal, wenn mich jemand über das hier verwendete ungewöhnliche, abgestufte Profil befragt, neige ich dazu, mich geradezu entschuldigend auszudrücken. Dabei sprechen die Flugeigenschaften der la piuma für sich. Nun ist es aber so, dass das Prinzip nach Kline/Fogleman, daher auch KF-­Profil beziehungsweise KF-Stufe genannt, bislang in Verruf steht, lausige Leistungen zu zeigen. Ich würde es aus jetziger Sicht eher so ausdrücken: Bei einem konventionellen Eigen­bau aus Holz ist ein modernes oder von mir aus auch bewährtes Flugzeugprofil die bessere Wahl, besonders an­­gesichts des zu betreibenden Bauaufwands. Nun liegt die Sachlage bei einem ganz aus Depron gebauten Modell anders. Um dort ein definiertes Leistungsprofil hinzubekommen, müsste man schon gehörigen Aufwand treiben.

Und jetzt rutscht mir das Ass aus dem Ärmel. Mit dem KF-Flügel ist man in der äußeren Konturgebung völlig frei, denn das Bauteil besteht ja eigentlich nur aus einer ebenen Platte mit einem Aufdoppler im vorderen Viertel. Dabei ist es in der Praxis gar nicht so wahnsinnig bedeutend, wo zwischen etwa ein Viertel und ein Drittel der Flächentiefe diese Stufe letztendlich genau liegt. So kann auch die Linienführung der Stufe ein für sich sprechendes Design-Element darstellen. Das ergibt ganz neue Möglichkeiten der optischen Umsetzung, wie spannend. Aus diesem Grund besitzt die la piuma einen weich nach hinten schwingenden Flügel, der lediglich einmal komplett durchtrennt werden muss, um einen stehenden 12-mm-Kiefernholm als Zwischenlage aufzunehmen. Diese Baugruppe ist sowas von schnell gebaut, das macht einfach Spaß. Die wenige Schleifarbeit ist mit Hilfe einer 60er-Schleiflatte zügiger erledigt, als man zunächst denken würde – ein im Bauplan gezeichneter Profilquerschnitt erleichtert das Verständnis.

Damit der Flügel zweigeteilt werden kann, nimmt der im Wurzelbereich passend eingeschlitzte Kiefernholm je ein 4-mm-Messingrohr der Länge 120 mm auf. In den gängigen Innendurchmesser von 3,1 mm passt ein 3-mm-Stahldraht, welcher mittig um 10 Grad abgewinkelt wird. Nun muss noch im Bereich der belasteten Gummiring-Auflage an Nasen- und Endleiste ein Stück Rundholz eingesetzt werden und wir können den Tragflächenbau als abgeschlossen betrachten.

Zierrat
Als besondere Zugabe habe ich Ihnen im Bauplan noch einige Schablonenseiten angefügt. Darin enthalten sind die geschwungenen Zierlinien, die dem Modell den gewissen Pfiff verleihen. Nutzen Sie die Schablonen dazu, die Kon­­turen aufs Modell zu übertragen und anschließend auszumalen. Oder aber: Schablonen ausdrucken und Klebe- oder Bügelfolie mit Krepp-Klebeband auf die Unterseite heften. Dann mit der scharfen Klinge einmal komplett alles heraustrennen – fertig ist der manuelle Zierlinien-Folienplot. Beim hier abgebildeten Modell wurde normale Oracover-Bügelfolie verwendet, das geht sehr gut. Auch die Kabinen­haube wurde dreiteilig folienbebügelt. Damit ergibt sich der bei einem Depronmodell seltene Charme, dass das Modell hin und wieder in der Sonne aufblitzt.

Überhaupt ist das Flugbild einfach nur schön. Gemächlich gleitet sie dahin, auch ohne Querruder ist die la piuma sehr wendig und Lastwechselfreudig. Ein entspannt zu bauender Segler für den entspannten Flugtag.