Elektro-Turbo

ELEKTRO-TURBOANTRIEB, das klingt für Modellflieger vielversprechend. DG Flugzeugbau, Produzent bekannter manntragender Segelflugzeuge, stattete seine DG-1001TE mit einem solchen Turbo aus. Dort hängte man die Erwartungen an die Antriebsleistung jedoch tief. Umso mehr überraschte das Ergebnis: der kraftvolle Elektromotor überzeugt und zeigt Potenziale auf. Im direkten Vergleich zum bereits erprobten und vielfach eingesetzten Klapptriebwerk mit Verbrennungsmotor waren die Verantwortlichen bei DG Flugzeugbau zunächst skeptisch gegenüber dem Elek­tromotorkonzept. Die mögliche Leistungsausbeute schätzte man konservativ ein und erwartete vom Elektroantrieb nicht mehr, als dass er den Aktionsradius der DG-1001TE um etwa 100 Kilometer gegenüber der reinen Seglerversion erweiterte. Ausreichend, um mit dem Hilfsmotor wieder zum Heimatflugplatz zurückzukehren oder einen Ausweichplatz anzufliegen. Der Aspekt Eigenstartfähigkeit stand gar nicht im Pflichtenheft. Insgesamt sollte auch der Entwicklungsaufwand gering gehalten und als Versuchsträger die für einen Verbrenner vorgesehene DG-1001T angepasst und eingesetzt werden. Modifikationen, das wissen Modellflieger aus eigener Erfahrung nur zu gut, haben jedoch ihre Grenzen. Nicht anders erging es den Konstrukteuren bei DG Flugzeugbau. Neue Wege Die erforderlichen Anpassungen an das ursprüng­lich vorgesehene Vorführflugzeug DG1001T überstiegen das technisch und konstruktiv Vertretbare. Der Schritt vom Verbrenner zum Elektro ging nur über einen speziell am Elektro-Antriebskonzept angepassten Neubau eines DG-1001-Rumpfs. Zusätzliche Batteriespanten im Motorkasten und eine neue Verkabelung beispielsweise, konnten so viel einfacher umgesetzt werden. Zugleich plante man in Kooperation mit der Europäischen Luftfahrtbehörde EASA eine Musterzulassung für den nun DG-1001TE getauften Segler. Ernüchterung machte sich wieder bei der Marktanalyse geeigneter Elektroantriebe breit. Entweder waren diese zu schwer, zu schwach oder nicht effizient genug. Yuneec aus China, bekannt vom manntragenden Elektro-Motorsegler E430, schien aufgrund seiner Erfahrungen als Partner geeignet, konnte das Projekt aber wegen interner Probleme nicht durchführen. Ebenfalls fiel der für DG infrage kommende deutsche Hersteller AST Köhler aus. Mit dem slowenischen Motorenbauer Enstroj fand man schließlich einen Partner, der auf Basis eines bestehenden Motorkonzepts das DG-1001TE-Projekt zum Erfolg führen sollte. Der Antrieb Die Wahl fiel auf einen Standardmotor von Enstroj, dem Emrax 222. Er leistet auf Dauer 25 Kilowatt bei einer Drehzahl von 2.800 Umdrehungen in der Minute (U/min). Damit der Emrax 222 diese eigentlich nicht für ihn vorgesehene Leistung und Drehzahl auch erreichen kann, waren wenige Änderungen erforderlich – beispielsweise vergrößerte man den Luftspalt zwischen Magneten und Spulen. Der Brushlessmotor bringt ein Gewicht von nur 11 Kilogramm auf die Waage und entwickelt im direkten Vergleich zum sonst verwendeten Verbrenner eine um 15 Prozent höhere Leistung – wie sich später herausstellen sollte. Lediglich in der Flugdauer kann der Verbrenner aktuell noch von der höheren Energiedichte des Flugsprits profitieren und den V-Segler über größere Distanzen tragen als den E-Segler. Angesichts der zu erwartenden Entwicklungen auf dem Akkumarkt dürfte es jedoch eher eine Frage der Zeit sein, bis auch dieses Argument pro Verbrenner vom Tisch ist. Aktuell reicht die elektrische Kapazität aus, den Motor etwas über 20 Minuten lang bei konstanter Drehzahl mit Strom zu versorgen. Energie bezieht der Brushlessmotor aus einem LiPo-Akkupack, der insgesamt aus 72 in Reihe geschalteten Zellen – Nennspannung 266 Volt – besteht und in zwei Blöcke aufgeteilt ist: einen mit 48 und einen mit 24 Zellen. Das Separieren des Akkupacks ließ sich aus Platz- und Schwerpunktgründen nicht vermeiden. Ein Pack ist im Motorraum und einer im oberen Rumpfbereich platziert. Aus Sicherheitsgründen sind die von Kokam verwendeten Zellen des Typs SLPB78216216H in stabilen, brandsicheren Gehäusen untergebracht, die aus Kohlefaser, Aramid und Aluminium bestehen. Zwecks Einzelzellenüberwachung beim Laden und Entladen der LiPos kommt ein speziell entwickeltes Batteriemanagementsystem zum Einsatz. Dieses ist modular aufgebaut und überwacht in sechs Einheiten je zwölf LiPo-Zellen. Geregelt wird die Motordrehzahl von einem industriellen Wechselrichter der Firma Piktronik. Er wurde von Enstroj speziell für den verwendeten Emrax 222 angepasst. Sobald der Motorträger ausgefahren und in seiner Endstellung fixiert ist, bringt der Wechselrichter den Propeller sanft, aber zügig auf die Gesamtdrehzahl von 2.800 U/min und hält diese im Betrieb konstant. So lässt sich der optimale Wirkungsgrad des Antriebssystems während der gesamten Betriebsdauer einhalten und nutzen. Die dazu verwendete Sensorelektronik stammt von RLS. Der Sensor ist dabei bis 700 U/min aktiv, um den Wirkungsgrad zu steigern. Darüber und bis zur Höchstdrehzahl wird der Motor sensorlos gesteuert wie es im Modellbau üblich ist. RLS und Enstroj produzieren in Slowenien und sind Spezialisten für Elektromotorkonzepte. Erste Erfahrungen Schon während der ersten Standläufe am Boden zeigte sich, dass das Antriebskonzept voll aufgegangen ist. Die vorhandene Leistung machte neugierig und steigerte die Spannung bis zum Erstflug, der nach etwa anderthalb Jahren Entwicklungsarbeit am 07. Mai 2011 stattfand. Die Ehre wurde Jelmer Wassenaar, Konstrukteur der DG-1001TE bei DG Flugzeugbau, zuteil. Die Überwachung wesentlicher Parameter im Flug übernimmt das bei DG bewährte Motor-Steuergerät DEI-NT, wie es bereits seit Jahrzehnten in verschiedenen Evolutionsstufen eingesetzt wird. Nur erweiterte man die Funktionen zur Überwachung des Flugs und Motorsteuerung um die Erfordernisse des Elektroantriebs – über ein Display bekommt der Pilot wesentliche Werte direkt angezeigt. So stellte sich heraus, dass die maximale Strombelastung im Flug bei 90 Ampere liegt. Die Flugleistungen beeinträchtigte das Elektro­motorkonzept keinesfalls. Im Vergleich zum Verbrenner-Klapptriebwerk ist es viel leiser und das Eigensinken sogar geringer, was sich beispielsweise beim Thermikkreisen mit stehendem Propeller bemerkbar macht. Fliegt man schneller als dies allein über den Antrieb möglich wäre, übernimmt der Motor eine Generatorfunktion und könnte die Akkus im Flug laden. Insgesamt zeigte man sich bei DG Flugzeugbau mehr als zufrieden über die erzielten Ergebnisse der DG-1001TE mit dem gewählten Antriebskonzept. Einige Erwartungen wurden sogar übertroffen und zeigen Potenziale für zukünftige Entwicklungen auf.| Lesen Sie den gesamten Artikel in der Ausgabe 02/2011 vom Elektroflug-Magazin. »Jetzt bestellen!