Bischels Beaver
„Haben Sie uns nicht winken gesehen?“ fragt eine Dame Andreas Bischel. „Nein, wo ist das gewesen?“ „Sie müssen uns doch kurz vor der Landung von oben gesehen haben!“ „Ach so, das tut mir leid, ich steuere hier, von unten, das ist ein Modell.“
So hört sich die zunächst unglaublich klingende Geschichte an, mit der die Wirkung des Modells der DHC-2 Beaver auf unbewanderte Zuschauer beschrieben werden kann. Wenn sie erst einmal in der Luft ist, kann man die Modell-Beaver kaum mehr vom Original unterscheiden. Dafür ist die hohe Originaltreue mit einer Fülle an präzisen Details verantwortlich. Ein Modellflieger weiß, ob gerade ein spitzenmäßig gebautes Modell oder ein Original vorbeifliegt, anderen fällt die Unterscheidung deutlich schwerer. Selbst auf manchen Fotos muss man schon genau hinsehen. Im Gespräch erklärte uns Andreas Bischel, wie er zum Modell kam.
Etappenlauf
Der Weg zu solch einem Modell verläuft über eine längere Zeit und über mehrere Stationen. Für Andreas Bischel ist die Beaver eigentlich die Realisierung eines Kindheitstraums. Dieser kam mit einem Bericht in einem Fliegermagazin aus den 1980er-Jahren wieder zum Bewusstsein. Nach ein paar Skizzen verschwand der Traum zunächst wieder in der Schublade. Der Graupner Bodenseecup 1990 war dann der entscheidende Wettbewerb, an dem Andreas Bischel mit einem Wasserflugzeug teilnahm. Eine umgebaute Piper von Tony Clark mit den entsprechenden Schwimmern war das Gerät der Wahl. Aber ein Jahr später begann er mit der Unterstützung von Freunden erneut die Arbeit an den Zeichnungen zur DHC-2. Ein anderes Flugzeug verdrängte die Beaver zwischendurch vom Basteltisch, wurde aber von einem Freund mit den Worten: „das ist hässlich!“ erfolgreich verhindert. Ein weiteres, wichtiges Argument war auch sein Hinweis, dass die Beaver so gebaut ist, dass man durch ihre Türen ein volles Ölfass rollen könne. Zuladung und Türbreiten erlaubten dies. Das Muster ließ ihn nicht los.
Erst 1997 wurde es dann ernst mit der Planung und dem Bau der Beaver. Ganze 28 Monate und 880 Werkstattstunden später, wobei der Zeitaufwand für die Konstruktionszeichnungen und den Formenbau nicht mit berechnet ist, stand die Beaver einsatzbereit auf den Rädern ihres Behelfsfahrwerks. Gebaut im Maßstab 1:4,5 ergab sich eine Spannweite von 3.300 Millimetern (mm). Das ergibt eine Länge von 2.200 mm und eine stattliche Höhe von 1.150 mm mit Schwimmern. Zusammen mit Letzteren kommt sie auf ein Abfluggewicht von zirka 22 Kilogramm.
Klassisch gebaut
Ihr Rumpf ist überwiegend mit Spanten aus Buchensperrholz und Stringern aus Kiefernleisten konventionell aufgebaut. Die Beplankung wurde aus 3 mm starkem Balsaholz hergestellt. In das Rumpfgerüst wurden die Beschläge aus 4-mm-Aluminium für den Anschluss der Schwimmer oder Räder gleich mit eingearbeitet. Die Tragflächen mit Kernen aus Styropor erhielten das Profil NACA 2415. Sie sind mit 1,5-mm-Balsa beplankt. Die Leitwerke sind ebenfalls so aufgebaut. Ruder und Klappen sind wie beim Original angeschlagen und werden verdeckt angelenkt.
GFK-Teile wie die Motorhaube und verschiedene Ein- und Auslässe sind in selbst gefertigten Negativformen entstanden. Da dem Bau eine entsprechend präzise Planung vorausging, wurden die entsprechenden technischen Einbauten, wie zum Beispiel das Resorohr platzmäßig vorbereitet. Ebenso wurde bei der Planung auch auf optisch wirksame Elemente geachtet und beispielsweise der Cockpitausbau im Voraus eingeplant.
Die Schwimmer haben ebenfalls ein Vorbild. „EDO 4930 nennt sich das Original,“ erklärt Andreas Bischel, „und das hat es in sich.“ Ein erster Versuch, die für das Modell jeweils 1.500 mm langen Dinger konventionell zu bauen, scheiterte. Die Originalform war zu komplex, um sie bei den auftretenden Belastungen dauerhaft dicht zu bekommen. Daher wurde eine Negativform für GFK-Schwimmer erstellt, um daraus dann die funktionsfähigen und wasserdichten Teile herzustellen. Aber nicht, ohne vorher die Originalform mit Hilfe von Fliegerkollege Rolf Breitinger ein wenig anzupassen. Das Wasser wirkt auf ein Modell im Maßstab 1:4,5 eben anders, als beim Original. Mit wenig optischer Wirkung, aber umso mehr technischer Raffinesse wurden die Kielung sowie Neigung bis zur Stufe geändert. Damit ließ sich die stoßdämpfende Wirkung und das Verhalten der Schwimmer beim Start verbessern.
Optical Scale
Nur mit angestrichenem Balsaholz würden natürlich nie die sichtbar perfekten Oberflächen entstehen. Herr Bischel veredelte sie. Im ersten Arbeitsgang wurde eine Lage Glasfasergewebe mit 20 bis 25 Gramm pro Quadratmeter (g/m²) verwendet. Die aufgelegten Glasfaserstücke wurden mit einem in Harz getränkten Schaumstoffroller angebracht. Der Profi kommt dabei mit einer Topfzeit von 30 Minuten aus, muss dann aber zügig sein Werk vollenden. Nach dem Trocknen der Bespannung wurden mit Glasurit Universalspachtel die ersten Unebenheiten ausgeglichen. Eine gründliche Bearbeitung mit 320er-Schleifpapier vollendete dann diesen Schritt.
Grauer Polyesterspritzfüller, welcher mit nass angewendetem 320er-Schleifpapier noch mal eine Glättung erfuhr, bildete dann die nächste Schicht. Hier wurden dann durch einseitiges Abdecken und entsprechenden Auftrag des Füllers auch die Blechstöße nachgebildet. Nach dem Trocknen und nassen Anschleifen mit 360er-Körnung wurden alle Teile mit Zweikomponentenlack endgültig grundiert. Auf den erneuten nassen Zwischenschliff mit 400er-Schleifpapier folgten die Nietenreihen – original Nietenabstand und somit Originalanzahl. Mit Hilfe eines gelochten „Nietenlineals“ wurden diese erst mit Bleistift angezeichnet und dann mit Weißleim aus der Injektionsspritze aufgetupft. Ab diesem Zeitpunkt blieben weitere Schleifaktionen tabu.
Die endgültige Oberfläche und einige Verzierungen entstanden abschließend mit Zweikomponentenlack. Der Autolackierer würde mit einer dicken Farbschicht auskommen, aber der Flugzeuglackierer weiß, dass mit mehreren dünnen Lackschichten das gleiche Ergebnis, aber bei erheblicher Gewichtseinsparung erreichbar ist.
Die Decals sind eine Sonderanfertigung von JR-Foliendesign, und zwar nach Vorlagen von Andras Bischel. Mit dieser Optik erreichte er dann auch in den vergangenen sechs Jahren 13 erste Plätze bei verschiedenen Semiscale-Wasserflugwettbewerben – darunter zwei erste Plätze im Europa-Cup.
Ein König für Beaver
Ein großer Brocken wie die Beaver braucht auch einen strammen Motor. Bei der C-GVPB ist das ein King 70 RV. Mit dem auf Drehmoment ausgelegten Motor, der seine Atemluft zur Geräuschminderung aus dem Rumpf ansaugt, ist ein Dreiblatt-CFK-Propeller mit 24 × 10 Zoll von Mejslik beschäftigt. Kohlefaser muss es schon sein, denn ein Holzpropeller geht durch den Kontakt mit Wasser – beginnend an den Spitzen – schnell kaputt. Wasser ist für einen schnell laufenden Propeller eben ziemlich hart. Der Schalldämpfer von Greve und eine kleine Schalldämmmatte in der Cowling helfen zusammen, dass die Geräuschentwicklung in Grenzen bleibt. Wenn man die Beaver hört, kommt statt dem Gedanken „Laut“ nur der Gedanke „Sound“ in den Sinn. Seinen Treibstoff holt der Motor aus einem 750-Millilitertank. Das reicht, um zweimal das übliche Flugprogramm von 12 Minuten zu fliegen und eine kleine Reserve an Bord zu haben.
Ein Graupnersender mc-24 mit den entsprechenden Modulen von Spektrum ausgestattet übermittelt die Pilotenbefehle ans Modell. Servos von Graupner und Futaba holen neben dem Empfänger ihre Energie aus zwei fünfzelligen NiCd-Akkus mit je 2.500 Milliamperestunden Kapazität, die an einem Engel Power Management System PMS light angeschlossen sind. Graupner ist mit je zwei C4621-Servos für das Höhenruder und zwei C4041 für die Klappen beauftragt. Zwei weitere C4621 steuern das Wasser- und das Seitenruder. Futaba bewegt mit je einem BLS-452-Servo die Querruder. Ein Flächenkreisel von ACT, namentlich der Fuzzy SMM Pro ist ebenfalls mit an Bord.
Vom See aus
Wie testet man ein solch großes Flugzeug? An Land ist das kein Problem. Das Behelfsfahrwerk war zwar ein bisschen schwach bemessen, aber es verhinderte die ersten Flüge nicht. Entscheidend für die Beaver ist aber das Fliegen mit Schwimmern.
Das war für Andreas Bischel kein echtes Problem. Rolf Breitinger, der Freund vom Bodensee, organisierte ein Tretboot. Mit dem fuhren die beiden auf den See hinaus, um wirklich genügend Platz zu haben. Andreas Bischel behauptet, eine gewisse Verrücktheit sei für den ersten Start und die Landung hilfreich. Schließlich bleibt die wenig erbauliche Aussicht auf einen unrettbaren Totalverlust erheblicher Werte in den Tiefen des Gewässers.
Aber der Versuch gelang erstklassig und bis auf ein wenig Wasser in den Schwimmern – der ersten Version – gab es keine negativen Auffälligkeiten. Die Tipps von Andreas Bischel, um eine 20-Kilo-Beaver in die Luft zu befördern, sind eindeutig an der Standardprozedur des Originals ausgelegt: Die Startrichtung ist natürlich durch die Windrichtung vorgegeben. Aber man sollte darauf achten, seitlich zum Startweg zu stehen. Zuerst werden die Wasserruder hochgezogen. Sie produzieren zu viel Widerstand im Wasser. Zum ersten Beschleunigen wird die Maschine ein wenig gedrückt. Das entlastet den hinteren Teil der Schwimmer. Das war´s dann auch schon. Auf der Stufe angelangt, beginnt die Beaver nach weiterer Beschleunigung automatisch zu fliegen und es darf ein wenig gezogen werden. Beim Original wäre das ähnlich abgelaufen. Vergleichbar originalgetreu geht es auch bei der Landung zu. Man fliegt mit etwas mehr Schleppgas als üblich, wegen des hohen Luftwiderstands der Schwimmer, an den Aufsetzpunkt heran. „Die Maschine gleitet kurz auf der Stufe und lässt sich dann herab, um zu schwimmen. Ist die Gleitphase vorbei, dürfen auch die Wasserruder zur Verbesserung der Steuerbarkeit abgesenkt werden,“ so Andreas Bischel.
Doppelgänger
Im Gespräch mit Andreas Bischel erfährt man dann auch, dass er eine zweite Beaver gebaut hat. Oder besser eine dritte und vierte. Eine Maschine geriet in der Nähe von Budweis am unteren Ende eines Looping(versuchs) zu nahe an die Erdoberfläche. Einer anderen stand bei einer Erprobung der bis dahin völlig unauffällige Flugplatzbaum plötzlich tückisch im Weg. Bei einem Experten wie Andreas Bischel darf man auch über solche Dinge berichten, denn er geht seinem Hobby mit Engagement und Erfolg, aber nicht mit Verbissenheit nach.